Am Rand der Berner Altstadt, an der Aare im Berchtoldhaus gelegen lockt das «Theater Matte» seit 2010 mit einem vielseitigen, mitreissenden und anspruchsvollen Programm. In Mundart aufgeführt schaffen sowohl Stücke zeitgenössischer Autor*innen, als auch Klassiker der Literaturgeschichte unvergessliche Theatererfahrungen – aktuell etwa «Das Missverständnis» von Albert Camus.
Saskia Zahnd, Andreas Kiener, Cornelia Grünig Foto Simon Schwab
Wie weit ist man bereit zu gehen für sein Glück?, so eine zentrale Frage, welche die Aufführung aufwirft. Camus’ Theaterstück handelt von einer Mutter, die mit ihrer Tochter eine Pension führt. Ihrem Leben möchten sie jedoch entfliehen und am Meer Erfüllung finden. Um dieses Ziel zu erreichen, fassen sie einen schwerwiegenden Entschluss: Um an das notwendige Geld zu kommen, werden reiche Gäste um ihr Leben gebracht. Als der nach Jahren zu seiner Familie zurückkehrende Sohn und Bruder sich zunächst nicht zu erkennen gibt, kommt es zur unvermeidlichen Katastrophe.
Unter welchen Voraussetzungen kann sich ein Mensch schuldig machen? Was ist Schuld? Welchen Anteil hat das Schicksal dabei?
Andreas Kiener, Sonja Grimm Foto Simon Schwab
Diesen, auch um die Frage des Mitgefühls kreisenden Themen, werden die Besucher*innen ausgesetzt, und man gewinnt bereits beim Lesen einen Eindruck von der durchschlagenden Kraft von Camus’ Schaffen, das mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Anfang der 1940er Jahre während der Besatzung Frankreichs im 2. Weltkrieg verfasst, ist «Das Missverständnis» heute ein Beispiel zeitloser Literatur, die zu Reflexionen unserer Gegenwart und des eigenen Lebens anregt. «Diese Inszenierung soll das Publikum mitreissen – nicht als statische Tragödie, sondern als Wechselspiel von Nähe und Distanz, von Härte und Zerbrechlichkeit», so die Regisseurin Xenia Netos. Doch kommen bei aller Schwere des Stoffes – allen voran die Auslotung des Daseins und der Menschlichkeit der Figuren – auch die komischen und absurden Momente der Erzählung nicht zu kurz, die sich für Netos etwa im «Ungeplanten» zu erkennen geben.
Andreas Kiener, Saskia Zahnd Foto Simon Schwab
Der Anspruch des «Theaters Matte» ist nach eigenem Bekunden nicht nur ein intellektueller, sondern auch, mit seiner Arbeit die Sinne zu wecken und das Herz zu berühren. So meint Cornelia Grünig, die die Rolle der Mutter spielt, dass «die Auseinandersetzung mit dem Text von Albert Camus (…) mich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle (schickt,) auf welche wir das Publikum gerne mitnehmen möchten.»
Um sich über die Aufführung auszutauschen oder einfach den Abend ausklingen zu lassen, bietet sich die stimmungsvolle, hauseigene Bar des Berner Theater-Bijou an.
STÜCK VON: Albert Camus
REGIE: Xenia Netos
SCHAUSPIEL: Saskia Zahnd, Sonja Grimm, Cornelia Grünig, Andreas Kiener und Fritz Bosshart
DEUTSCHE FASSUNG: Hinrich Schmidt-Henkel
DIALEKTFASSUNG: Theo Schmid
BÜHNENBILD: Fredi Stettler und Andreas Stettler
KOSTÜM: Livia Franz
LICHTDESIGN: Arno Alf Jost
REGIEASSISTENZ: Meret Willen
TECHNIK: Arno Alf Jost, Neil Kelly
VERLAG: Rowohlt Theater Verlag, Hamburg
PREMIERE: 19. September 2025, 20 Uhr
WEITERE SPIELDATEN: VORSTELLUNGSBEGINN: |