Als Tennis-Coach von Federer tingelt Severin Lüthi seit fast zehn Jahren um den Erdball. Der Wahlthuner über seinen famosen Freund, «rogerfreie» Tage und den Lieblingssee, in den er sogar bei frostigen 13 Grad springt.
Was tun Sie, während Federer seinen Gegnern die Bälle um die Ohren haut? Wann immer möglich, schaue ich mir das Spiel am TV an oder bin sogar live dabei – natürlich! Aber es ist eine romantisierte Vorstellung, ich würde jeden einzelnen Match von Roger gebannt mitverfolgen. Manchmal erkundigt sogar er sich im Nachhinein bei mir, ob ich es gesehen habe … Zwar muss ich wissen, wie es um seine Konstitution steht, aber mehr Information hilft nicht unbedingt mehr!
Inwiefern fiebern Sie nach so vielen Jahren noch mit? Natürlich will ich, dass Roger gewinnt, weniger als Fan denn als Coach. Ich betrachte das Spiel aus professionellem Blickwinkel. Sitze ich auf der Bank, bin ich in den Wettkampf vertieft und erlebe ihn ähnlich intensiv, als würde ich selbst aufschlagen. Bei einem Match des SCB verspüre ich eine andere Art von Nervosität, als bei einem von Roger!
Juckt es Sie manchmal in den Fingern, selbst zum Racket zu greifen? Mit 17 Jahren waren Sie als Schweizer Meister auf dem Sprung zum Tennis-Profi. Die Rollen tauschen möchte ich nicht. Ich sehe mich als Coach und stehe in meiner Freizeit lieber auf dem Fussball- als auf dem Tennisplatz. Als Teenager spielte ich ein Doppel gegen Roger – und gewann. Das halte ich ihm ab und zu noch vor! Ich wollte ihn unbedingt schlagen, schliesslich bin ich der Ältere! Er witzelte damals gar über die sprichwörtliche Berner Langsamkeit meines Aufschlags…
Was bringen Sie dem Ausnahmetalent Federer überhaupt bei? Man kann noch so gut sein, Inputs von aussen sind wertvoll, sogar für den wohl grössten Spieler aller Zeiten. Den Grossteil meiner Aufgabe machen Analyse, Taktik und Technik aus. Ausserdem kümmere ich mich um Organisatorisches, von Trainingspartnern bis hin zu Tennisbällen … Er ist mein Freund, wenn er etwas braucht, bin ich für ihn da.
… in guten wie in weniger guten Zeiten. Ich habe Glück, Roger ist im Dauerhoch! Hoch sind entsprechend die Erwartungen an ihn und mich. Roger meinte mal: «Du bist mehr enttäuscht als ich, wenn ich verliere.» Sport ist emotional, Glück und Pech liegen nahe beieinander. Das schweisst zusammen.
Sie stehen im Dauerkontakt und verbringen bis zu 230 Tage im Jahr zusammen. Geht Ihre Beziehung zu Roger zwangsläufig über das Berufliche hinaus? Viele warnen davor, Berufliches und Privates nicht strikt zu trennen. Bei uns hat es funktioniert und das freundschaftliche Verhältnis ist wohl Teil des Erfolgs. Wichtig ist, den gegenseitigen Respekt zu wahren, kritikfähig zu bleiben und Meinungsverschiedenheiten nicht zu scheuen, Freundschaft hin oder her.
Warum ist Roger derart beliebt? Er hat das nötige Selbstbewusstsein, bleibt aber bodenständig. Er ist ein guter Mensch, der es nicht nötig hat, anderen etwas vorzumachen – über all die Jahre ist er sich selbst geblieben. Seine Freude am Tennisspiel, die ihn antreibt, ist auch nach 1300 Matches spürbar und ansteckend. Es gibt schlicht keinen Grund, Roger nicht zu mögen.
«Nirgendwo auf der Welt lebt es sich besser als am Thunersee.»
Severin Lüthi
Sie haben sich dem Tennis verschrieben, was fasziniert Sie daran? In erster Linie liebe ich den Wettkampf – den sportlichen Ehrgeiz, sich zu verbessern, sei es beim Jassen oder Fussballspielen. Am Tennis schätze ich, das Schicksal in der eigenen Hand zu haben, anders als bei Teamsportarten.
Im Gespräch mit Ihnen schweift man automatisch zu «King Roger» ab … Für mich ist es ein Privileg, mit einer so starken Persönlichkeit zusammenzuarbeiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass er im Fokus steht. Ich verstehe, dass sich die Leute mehr für ihn interessieren als für mich.
Im Mittelpunkt standen Sie, als die Uhrenmanufaktur Louis Erard Ihnen zu Ehren eine limitierte Edition lancierte, anlässlich des historischen Schweizer Davis-Cup-Siegs. Es gab 84 Stück – so viele wie das Team Teilnahmen gebraucht hat bis zum ersten Turnier-Sieg. Ausser zum Schlafen trage ich immer eine Armbanduhr. Sie anzuziehen, ist so selbstverständlich wie Zähneputzen.
Ist die Uhr mehr Accessoire oder Arbeitsinstrument? Beides: Meine «Excellence Regulator» zeigt mir die Trainingseinheiten und -pausen präzise an. Zugleich ist sie das einzige Schmuckstück, das ich trage.
Was tun Sie, wenn Ihre Uhr ausnahmsweise nicht nach Rogers Rhythmus tickt? Bin ich mal zuhause, erledige ich Alltägliches, wie Rechnungen bezahlen oder zum Zahnarzt gehen. Meine freie Zeit verbringe ich möglichst mit meiner Partnerin und meiner Familie. Im Winter juble ich im Stadion für den SCB, im Sommer bade ich im Thunersee, sogar bei 13 Grad Wassertemperatur!
Sie entdecken die ganze Welt – warum ist gerade Thun seit 20 Jahren Ihre Wahlheimat? Ich bewege mich oft in hektischen Metropolen, da schätze ich die Gemütlichkeit Thuns. Die Berge in unmittelbarer Nähe, das frische See- und Aare-Wasser … Trotz allem, was ich gesehen habe, lebe ich am liebsten hier – an das ständige Kofferpacken gewöhne ich mich nie!

Severin Lüthi, Federer-Coach, Davis-Cup-Captain und Botschafter der Uhrenmarke «Louis Erard», vor seinem Lieblingsrestaurant «Füürgässli» in Thun.