Patrik Burkhardt jettete als Flugbegleiter um die Welt, ehe er auf Spiezer Boden in die Fussstapfen seiner Eltern trat. Das Fliegen fasziniert ihn noch immer, nur anders: Als Beobachter von Mauerseglern.
«Srih-srih», «srih-srih», schrillt es von den Dächern. Anfang August heisst es für Patrik Burkhardt jeweils Abschied nehmen: Die Mauersegler, die in Nistkästen unter seinem Dach übersommern, spannen ihre sichelförmigen Flügel und heben zur Reise nach Südafrika ab. Kehren sie im April zurück, erwartet er sie sehnsüchtig und weiss: Jetzt ist Sommer! Vor sechs Jahren gelang es ihm, eine Mauersegler-Kolonie anzusiedeln – mittlerweile hat er 21 «Wohnstuben» montiert, drei davon sind mit Kameras ausgestattet. «Mauersegler fliegen 8000 Kilometer weit, ohne je eine Kralle abzusetzen – sie sind die Könige der Lüfte», erzählt der Singvogelfan. Er selbst war tausende Kilometer von Zuhause entfernt, als er sich entschied, das Lebenswerk seiner Eltern fortzuführen.

1978: Schon Vater Walter Burkhardt legte grossen Wert auf den persönlichen Kontakt zu seinen Kunden.
Vom Lehrerzimmer in die Lüfte Nach sechs Jahren als Lehrer in Wattenwil schlüpfte der Wunsch, die weite Welt zu erkunden. Dafür tauschte er Klassenzimmer gegen Kabine: 1990 heuerte er als Flugbegleiter bei der Swissair an. Anders als heute dauerten die Aufenthalte am Zielort bis zu zwei Wochen.
«Ich habe viel von der Welt gesehen, doch habe ich mich nie richtig daran gewöhnt, in der Nacht zu arbeiten», erinnert er sich an die Zeit, als die Heckflosse mit weissem Kreuz auf rotem Grund Heimatgefühle weckte. Derweil nahmen die Dinge daheim in Spiez ihren gewohnten Gang: Seine Eltern, Walter und Margrit Burkhardt, beruhigten in ihrer Schönegg Garage Kunden mit derangierten Autos oder berieten Kundinnen mit Autoträumen. Verkäufe wickelten sie von Hand auf karierten Schreibblöcken ab. Die Geschichte der Garage mit Seesicht geht auf das Gründungsdatum 1. Mai 1971 zurück, das Jahr, als der «Ford GT 70» am Autosalon Genf dröhnte. Walter und Margrit hatten sich früh der Flotte mit dem blauen Oval verschrieben: Schon wenige Jahre nach Geschäftseröffnung würdigte sie Ford mit dem Haupthändlerstatus für das Berner Oberland, später zudem für Interlaken. Rollten neue Modelle vom Fliessband an die Oberlandstrasse, standen die Leute Schlange, um eines zu ergattern, als gäbe es warme Weggli umsonst. Farbe? Egal!

Da sich seine Nachfolge nicht in der Familie fand, schrieb Walter Burkhardt seine Garage zum Verkauf aus. Über 7000 Kilometer weit weg, machte es sich Patrik Burkhardt in Chicago auf seinem Passagiersitz bequem und blätterte in einer Automobil-Zeitschrift. Während sich die Propeller schneller drehten, blieben seine Pupillen an einem Chiffre-Inserat hängen, das sich vertraut las: Er erkannte den Absender. Während dem Flug ratterte es mehr in seinem Kopf als in der Kabine: Das Lebenswerk seiner Eltern in fremden Händen? Sonntagmorgens, um 7.30 Uhr, klingelte er bei seinen Eltern, um ihnen die selbst gestellte Frage laut zu beantworten: «Ich will es versuchen und den Betrieb übernehmen!» Pünktlich zum 25-Jahre-Jubiläum «landete» er in der Schönegg Garage. So viel anders als seine Eltern führe er den Betrieb gar nicht, resümiert Patrik Burkhardt, der die Leitung 2002 vollständig übernahm. Auch die Automarke ist dieselbe und einzige geblieben, denn «man kann nicht von mehreren Herstellern vollends überzeugt sein». «Mir ist der persönliche und herzliche Umgang wichtig. Ich nehme alle Menschen, wie sie sind», beschreibt er seine Philosophie und blickt im zweiten Stock durch die Glasfassade der Schönegg Garage hinaus. Dort steht der «Ford Edge», den er zurzeit fährt – ein komfortables SUV-Modell aus Amerika, das neuerdings auch in der Schönegg Garage erhältlich ist. «Amerika», bei diesem Stichwort gerät der 51-Jährige ins Schwärmen. «Wenn ich pensioniert bin, möchte ich einige Monate durch Amerika reisen.» Beim letzten Wort wird er unterbrochen: Sein Handy klingelt – «srih-srih».
Fotografin: Nadine Strub